Pecken oder woigeln?
Pecken oder woigeln?
„Ich hab’ welche gefunden!“ Wenn Kinder am Ostersonntag aufgeregt durch Haus und Garten laufen und nach versteckten Ostereiern Ausschau halten, hört man in regelmäßigen Abständen diesen freudigen Ausruf. Der österliche Brauch hat hierzulande eine lange Tradition, mit der viele Menschen schöne Kindheitserlebnisse verbinden. Ob die vier bunten Exemplare auf dem Kalenderbild, das beim alljährlich stattfindenden Ostereier-Suchen im Bauernhausmuseum Amerang entstanden ist, tatsächlich so „versteckt“ waren, darf jedoch bezweifelt werden. Sehr fotogen, jedoch ein wenig zu offensichtlich fallen die bunten Eier vor der dunklen Stadel-Wand ins Auge. Da hatte wohl eher ein erfahrener Fotograf als ein altgedienter Osterhase seine Hand im Spiel. Denn letzterer weiß: Je besser das Versteck, desto größer das Glücksgefühl beim Finder.
Ostereier – ob in hartgekochter, ausgeblasener oder süßer Form, ob gefärbt, bemalt, verziert oder in buntes Papier gehüllt – gehören fest zu unseren österlichen Riten und Bräuchen. Diese stammen teilweise aus vorchristlicher Zeit und wurden später adaptiert.
In seiner Betrachtung mit dem Titel „Brannte uns nicht das Herz? Das Ostergeschehen im Brauchtum“ beschäftigt sich der oberbayerische Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler mit den Traditionen rund um das höchste christliche Fest im Kirchenjahr und somit unter anderem auch mit Ostereiern.
Das Ei als Symbol für Fruchtbarkeit und Zeichen des Neubeginns war schon in der Antike bekannt. Den Christen, die an Ostern die Auferstehung Jesu und den Sieg des Lebens über den Tod feiern, kam diese Symbolik sehr gelegen. Wahrscheinlich spielte beim Entstehen des Brauchs aber auch ein ganz praktischer Aspekt eine Rolle. Schließlich sammelten sich in der Fastenzeit, in der Fleisch und bis zum Ende des Mittelalters
darüber hinaus andere tierische Produkte nicht verzehrt werden durften, viele Hühnereier an. Um sie haltbar zu machen, wurden sie gekocht, um sie dann zu färben und zu verschenken – zunächst ausschließlich mit der Farbe Rot, die an das Blut Christi erinnern sollte. Am Ostersonntag schmecken sie heute noch denjenigen besonders gut, die sich strikt an die Fastenregeln gehalten haben.
An den Tagen zuvor gibt es für gläubige Christen klare Regeln. Traditionell kommt am Gründonnerstag etwas Grünes auf den Tisch, entweder Spinat mit Spiegelei oder eine Kräutersuppe, die – wie Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler erklärt – „traditionell mit den sieben frischen Kräutern des anbrechenden Frühlings (vor allem mit Kerbel) gekocht“ wird. Am Karfreitag gibt es üblicherweise Fisch, auf keinen Fall jedoch Fleisch. Am Karsamstag oder im Ostergottesdienst werden im Rahmen der Speisenweihe vielerorts Körbe mit Brot, Salz, Osterzopf, -schinken und -eiern geweiht. Letztere dienten früher dank ihrer ergonomischen Form und ihrer soliden „Verpackung“ auch dem feiertäglichen Zeitvertreib. Norbert Göttler erwähnt in seinem Aufsatz zu den Osterbräuchen unter anderem das als „Eierpecken“ bekannte Aneinanderstoßen von zwei Eiern, welches das Gewinner-Ei schadlos überstehen sollte, und das „Oarwoigeln“. Dabei rollen die Eier über zwei nebeneinander gelegte Besen- oder Rechenstiele ins Gras. Wer mit seinem Ei
ein anderes trifft, darf beide behalten. Die Fachberatung Heimatpflege des Bezirks Oberbayerns mit Sitz im Maierhof des Klosters Benediktbeuern setzt sich für eine lebendige Regionalkultur ein. Der Bezirksheimatpfleger und sein Team beraten und fördern zudem Projekte zur Erhaltung historischer Bausubstanz und zum landschaftsgerechten modernen Bauen, aber auch zur Pflege von Sprache und Dialekten.
Text für den Kalender des Bezirks Oberbayern, 2018
Der Text im Bild