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Ins Blaue hinein

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Ins Blaue hinein

Farbe spielt bei der Planung von Schulgebäuden eine eher untergeordnete Rolle. Die Joseph-von-Fraunhofer-Schule, eine staatliche Realschule in München-Fürstenried, ist da eine Ausnahme. Entworfen wurde das Gebäude vom Architekten Peter Lanz. Mit der Farbgestaltung wurde 1973 der Künstler Rupprecht Geiger beauftragt. Der „Magier der Farbe“, wie er einmal genannt wurde, ließ jedes Stockwerk des Schulgebäudes in einem anderen Spektrum an Tönen erstrahlen. Für das schuleigene Schwimmbad wählte er Blau und schmückte die weißen Wandplatten auf einer Seite des Raumes mit einem blauen gedrückten Halbkreis, der von einem schmalen grünlichen Streifen umrahmt wird (Acryl auf Eternitplatten, 388 x 1035 cm). Mit Hilfe einer Farbluftdruckpistole erreichte Geiger einen völlig gleichmäßigen Farbauftrag – und eine besonders intensive Wirkung.

Mit seiner Kunst wollte Rupprecht Geiger den „Farbgeist“ sichtbar und die Aura einer Farbe erlebbar machen. Archetypische Formen wie Kreis, Rechteck und Oval sowie Rottöne erschienen ihm dafür besonders geeignet, und so verwendete er ab Mitte der 1970er Jahre nur mehr diese. Blau gehörte nicht zu Geigers bevorzugten Farben. Bei der Gestaltung des Schul-Schwimmbades ist ihm damit jedoch ein besonders reizvoller Effekt gelungen: Das blaue Oval und die weißen Farbflächen der Wand spiegeln sich auf der glatten Wasseroberfläche. Gleichzeitig schimmern die Bodenfliesen des Beckens durch. Das Oval erscheint in seiner Spiegelung als Unterwasser-Torbogen, hinter dem sich das Becken und seine schwarzen Bahnmarkierungen weit in die Tiefe zu erstrecken scheinen. Dieser illusionistische Eindruck ist jedoch nur dann zu bewundern, wenn sich gerade keine Schulklassen im Becken tummeln.

Rupprecht Geiger (1908-2009) absolvierte zunächst ein Architekturstudium und eine Maurerlehre. Nach dem Einsatz als Kriegsmaler an der Ostfront war er ab 1949 zunächst parallel als selbstständiger Architekt und bildender Künstler tätig. Er widmete sich der abstrakten Malerei und Bildhauerei und war Mitbegründer der Künstlergruppe ZEN 49. Im Jahr 1951 wurde er mit der Fassadengestaltung des Münchner Hauptbahnhofs beauftragt. 1965 bis 1976 hatte er eine Professur für Malerei an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf inne. Er schuf zahlreiche Kunstwerke im öffentlichen Raum, unter anderem 1991 den nach oben offenen Meditationsraum im Park des Isar-Amper-Klinikums, Klinik Taufkirchen (Vils). Geiger sagte einmal: „Alleiniges Thema meiner Malerei ist die Farbe, sie ist das Motiv.“ Die Strahlkraft seiner Gemälde war im Rahmen vieler internationaler Einzel- und Gruppenausstellungen zu erleben, zuletzt in Retrospektiven anlässlich seines 100. Geburtstags. Für sein umfangreiches Werk wurde Rupprecht Geiger mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Im Jahr 1995 erhielt er den Oberbayerischen Kulturpreis des Bezirks Oberbayern. Dieser wird seit 1980 an Persönlichkeiten vergeben, die sich auf außergewöhnliche Weise um die Kultur in Oberbayern verdient gemacht haben.

 

Text für den Kalender des Bezirks Oberbayern, 2014

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